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Jekami

Jekami. Dieses seltsame Wort, das mir im Leben noch nie begegnet war und mich an Origami erinnerte, kam mir von Anfang an eher japanisch als spanisch vor, stellte sich aber am Ende dann sogar als schweizerisch heraus.

Wie aber kam ich zu diesem mir unbekannten Wort?

Gestern sass ich im Zug von Luzern nach Genf, um von einer herrlichen Ferienwoche in der Heimat wieder nach Frankreich zu fahren, wo ich seit zwanzig Jahren mit meiner Familie lebe.

Ich hatte das Abteil für mich allein, was für die Konzentration am Weiterschreiben meines aktuellen Manuskripts perfekt war, doch in Sursee stieg ein freundlicher junger Mann ein, der sich mit einer grossen, etwas abgeschabten roten Tasche vis-à-vis von mir setzte. Eine Station später gesellte sich ihm noch ein bärtiger und sommerlich mit einem Short bekleideter Kollege bei. Die beiden waren vielleicht im Alter meiner eigenen Jungs, aber wegen der Schutzmasken war es etwas schwierig abzuschätzen. Sie diskutierten über dieses und jenes, aber vor allem über ihre Ergebnisse beim Schiessen, die offenbar nicht so glorreich waren, wie sie es selber beurteilten. Nach einer Weile zückten beide ein grünes Büchlein, das sehr offiziell wirkte, und verglichen ihre Punktzahlen.

Ich hörte zwar zu, wollte sie aber natürlich nicht dabei anstarren, während ich mir auf meinem Laptop schnell ein paar Notizen über die zufällige Begegnung machte, und war dann recht überrascht, als der junge Mann mit Bart und Short plötzlich ein olivgrünes Gewehr, das ich noch gar nicht bemerkt hatte, mit umgeknicktem Kolben in die Höhe hielt, um seinem Kollegen irgendeine Schraube oder etwas dergleichen zu erklären. Kurz danach stellte er es wieder auf den Boden, zwischen seine Füsse, die in schwarzen Kappasocken und in Lederschuhen steckten, wo es offenbar schon vorher mit einem Plastiksack leicht abgedeckt diskret geruht hatte.

Die zwei begaben sich wahrscheinlich an einen der obligatorischen Schiesskurse, die Schweizer Soldaten regelmässig absolvieren müssen. In Bern stiegen sie aus und später googelte ich zuhause nach den grünen Büchlein und stellte fest, dass es die Dienstbüchlein gewesen waren. Beim Surfen gelangte ich dabei auf eine Reportage aus 10vor10, in welcher sich Bundesrat Ueli Maurer über die mangelnde Präsenz der Schweizer Soldaten beim obligatorischen Schiessen beklagte und dabei sagte er: «Wir müssen in Erinnerung rufen, dass es eine Pflicht ist und kein Jekami. »

Statt gleich im Duden nachzuschlagen, googelte ich zuerst nach anderen Seiten und wurde bereits bei Wikipedia fündig, wo erklärt wurde, dass Jekami ein Akronym für « jeder kann mitmachen » sei.

Im Duden stand dann noch die genauere Definition « Veranstaltung, bei der jeder, ohne besondere Voraussetzungen erfüllen zu müssen, mitmachen kann » und der Hinweis, dass es besonders schweizerisch sei.

Und so wie sich hinter einem Origami im Grunde nur ein Stück Papier verbirgt, so lässt sich also auch das geheimnisvolle Je-ka-mi in verständliche Einzelteile aufgliedern.

Copyright Anja Siouda

Foto von LA MM bei Pexels

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