Diesen Sommer wollte ich etwas Neues ausprobieren, um meinen kleinen Gemüsegarten unbeschadet durch die Hitzetage zu bringen. Im Internet hatte ich einmal ein Video eines dicht überwachsenen Gartens gesehen, der praktisch ohne Giessen auskommt.
Natürlichen Schatten hatte ich also im Kopf, doch hatte ich keine Zeit, ein richtiges Gerüst in jeder Gartenecke anzubringen. Und, ehrlich gesagt, bei den regnerischen Monaten im Frühling und Frühsommer glaubte ich fast nicht mehr an einen Hitzesommer. Doch nun ist er eingetroffen und zum Glück habe ich den Prunkwinden (Ipomea purpura), die sich seit ein paar Jahren frei im Garten versamen, genau dort eine Kletterhilfe gegeben, wo sie von selber gewachsen sind. Besonders gut gefallen ihnen von den Blättern befreite Haselnussstauden, die wir wie jedes Jahr seitlich bei den Haselnuss«büschen» abschneiden mussten, damit sie uns nicht den Weg zum Hauseingang versperren. So hoch wie das Haus sind sie allerdings schon lange. Zur Freude des Eichhörnchens, das nun auch schon von den Haselbüschen über den riesigen Holunderbaum zum Feigenbaum des Nachbarn hinüberhüpft. In Sicherheit vor unserer Katze und vor all den Nachbarskatzen!
Seit ein paar Wochen habe ich nun jeden Morgen in der Frühe ein Date mit meinen Prunkwinden. Schon beim Aufstehen denke ich daran, dass die wunderschönen Blumen auf mich warten. Beim Öffnen der Fensterläden leuchten sie mir blau-violett entgegen, denn sie beginnen im Morgengrauen aufs Neue zu blühen. Nicht ohne Grund heissen sie Morning Glory auf Englisch. Ich bin geradezu süchtig nach dem Anblick ihrer Farbe, die sich je nach Lichteinfall verändert. Sobald aber die Sonne sehr heiss darauf scheint, jetzt im August um etwa 11 Uhr, rollen sich die Blüten ein und fallen im Laufe des Nachmittags ab. Doch am anderen Morgen sind wieder Hunderte neuer Blüten da! Eine verschwenderische Üppigkeit.
Während ich die Blumen nur ganz leicht dirigiere, indem ich die jeden Tag um mehrere Zentimeter wachsenden Triebe sorgfältig um die Kletterhilfen flechte, schaue ich mit Vergnügen den Hummeln und Bienen zu, die tief in jeden Kelch hineinkriechen, und dann mit dem wackelnden, weiss überpuderten Hinterteil wieder rückwärts hinauskommen und gleich zur nächsten Blüte fliegen.
Ein paar wenige Schnüre habe ich auch gespannt, um die Prunkwinden miteinander zu verbinden, aber ganz besonders gut gefällt es mir, dass der liebe alte Nachbar einverstanden ist, dass ich seine riesigen dornlosen Brombeerranken, die aus fast zwei Meter Höhe über den Gartenzaun zu unserem Gemüsegarten hinüberhängen, auch in meine Gartenkunst einbeziehen darf. Mit dem Internet kann er nichts anfangen, aber von botanischer Vernetzung ist auch er begeistert.
Copyright Anja Siouda
August 2024
Fotos: Anja Siouda