Von Autos und Fahrzeugmarken allgemein habe ich null Ahnung. Brauchen wir ein neues Auto, wählt mein Mann das Modell und die Zusatzschikanen aus und ich den Farbton. So sieht unser Teamwork aus und mir ist das mehr als Recht. Mit den vielen Modellen bin ich hoffnungslos überfordert und es interessiert mich überhaupt nicht. Hauptsache, das Auto fährt und liegt preislich innerhalb unseres Budgets. Ich fahre sowieso viel weniger, im Gegensatz zu meinem Mann, der es arbeitshalber täglich braucht und der so ein sicherer Fahrer ist, dass er sein Auto auch noch im Schlaf lenken könnte.
Eine Automarke aber gibt es, die hat bei mir einen heiligen, unantastbaren Status: Die Marke SAAB. Oftmals nimmt mich mein Mann deswegen hoch, aber ich kann nicht anders, als Kind ist mir dieses Modell, genauer gesagt der gelbe Saab meines Vaters, total eingefahren. Nicht etwa, weil ich hie und da auf seinem Schoss sitzen und das Lenkrad ein paar Meter weit halten durfte, wenn er von der Arbeit nachhause kam und im ruhigen Quartier auf das Seitensträsschen mit den Parkplätzen einbog, sondern weil ich in den siebziger Jahren ohne den Saab meines Vaters vielleicht zur Halbwaise geworden wäre: ohne seinen Saab wäre mein Vater nämlich womöglich tödlich verunfallt.
Der Saab sei eben ein qualitativ gutes Auto gewesen, ein solides! Nicht so eine Blechkutsche wie etwa der Döschwo der Fahrerinnen hinter ihm oder der VW-Käfer der Autofahrer vor ihm. Die hätten den frontalen Zusammenprall, zu dem es unglücklicherweise kam, weil sich nach der Örtlichkeit Kaiserstuhl in einer Kurve der Brünigstrasse, auf der mein Vater korrekt Richtung Lungern fuhr, in der Gegenrichtung zwei Junge Raser ein Rennen lieferten, niemals überlebt. Mein Vater aber, der an dem Unfall völlig unschuldig war, wie die Zeugen in einem Armeefahrzeug, die hinter den Rasern unterwegs waren, später aussagten, überlebte ihn in seinem Saab – nur leicht verletzt. Der Saab hingegen war schrottreif und das Auto des anderen Fahrzeuglenkers auch. Beim Aufprall sei die Motorhaube des anderen Autos hochgegangen, erzählte mein Vater jeweils, und dessen 20 kg schwere Autobatterie sei durch die Frontscheibe von seinem Saab an ihm vorbei geflogen und beim Seitenfenster wieder hinaus bis auf die Strasse, wo sie schäumend liegen geblieben sei. Solche Bilder vergisst man natürlich nie, weder als selbst Betroffener, noch als Zuhörer. Nur meines Vaters Brustbein wurde damals gebrochen vom unheimlichen Druck seines Autogurtes, das damals noch kein Rollgurtmodell war, und seine Kleider trugen Spuren der Salzsäure: sie waren zerlöchert.
Der fahrlässige Fahrer ihm gegenüber war hingegen schwer verletzt, das Steuerrad hatte sich komplett in seinen Brustkorb gedrückt. Die Fahrerinnen im Döschwo, die mehr Glück gehabt hatten als mein Vater, und kurz darauf hinter ihm an der Unfallstelle eintrafen, halfen ihm dann aus seinem verunfallten Saab heraus. Sie zogen ihn aus dem Fenster, was ihn schon etwas schmerzte, aber nachher stand er wohl noch unter Schock unschlüssig herum, bis die herbeigerufene Polizei schliesslich nach dem Fahrer des gelben Autos herumfragte. Wie hätte ich eine solche Anekdote als Kind je vergessen können? Der gelbe Saab war und blieb von da an heilig.
Andere kurze Erzählungen findet man in meiner Erzählsammlung «Tuttifrutti-Humoristische Erzählungen für jeden Geschmack», Pro Libro, September 2016, Neuauflage BoD Oktober 2019. Die Erzählung «Saab mit Heiligenschein» war ursprünglich auch für diese Sammlung vorgesehen.